Religionsgemeinschaft des Islam
Landesverband Baden-Württemberg e.V.

 

Unsere Themen: Islam - Interreligiöser Dialog - Projekte - Informationen über Muslime in Deutschland/Baden-Württemberg

 
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zum Kopftuchstreit:

Mit Kopftuch unterrichten?

Podiumsdiskussion im DGB-Haus,
Willi-Bleicherstr. 20
70174 Stuttgart
19. Febr. 2004, 19 Uhr

Statement

(Einstiegsfrage: Warum tragen Sie ein Kopftuch?)

Da ich an Gott glaube, hat für mich Religion einen Wert.

Das Kopftuch gehört zwar nicht zu den grundsätzlichen Dingen der Religion im Islam, aber es kam für mich einfach der Zeitpunkt, wo ich mir wünschte diese Sache auch zu praktizieren.

Das war vor nicht ganz 20 Jahren. Und da ich nicht in den Schuldienst wollte oder will, kann ich es mir leisten ein Kopftuch zu tragen.

Ich begründe meine Bedeckung religiös.

Zu dieser religiösen Begründung folgendes allgemeine:

Es sind zweifellos Koran und Sunna, die eine gewisse Bekleidungsform für muslimische Frauen einführen und sie dazu anleiten. Wäre dies nicht so, wie manche heutzutage meinen, indem sie beispielsweise sagen es wäre nur eine klima- oder kulturbedingte Tradition, die weitergetragen wurde, bleibt die Frage, warum sie dann erst der Koran und die Sunna ansprechen:

»Oh Prophet, sprich zu deinen Gattinnen und deinen Töchtern und den Frauen der Gläubigen, dass sie sich in ihren Überwurf verhüllen. So werden sie eher erkannt und werden nicht verletzt. ...« Sure 33, 59

außerdem Sure 24, 31: Und sprich zu den gläubigen Frauen, sie sollen .... ihre Scham bewahren, ihren Schmuck nicht offen zeigen, mit Ausnahme dessen, was sonst sichtbar ist. Sie sollen ihren Schleier auf den Kleiderausschnitt schlagen und ihren Schmuck nicht offen zeigen, es sei denn ...

Erläuterung finden diese Verse durch die Aussagen Muhammeds (a.s.s.), wonach alles außer Gesicht, Hände und Füße zu der zu bedeckenden Aura der Frau gehört.

Für religiöse Menschen ist es selbstverständlich, dass sie sich nach den Aussagen der Religion richten wollen, insbesondere wenn es auf dem Koran beruht.

Seit Jahrhunderten gibt es die Bedeckung für muslimische Frauen.

Was ich damit sagen will, ist, dass das Kopftuch keine Erfindung der Fundamentalisten oder der politisch Religiösen ist.

Aber der Umgang damit kann politische Dimensionen annehmen und hat es ja auch zum Teil!

Was im Iran und Afghanistan passiert ist, wissen wir.

Um ihre durch die Religion begründete Macht zu demonstrieren, haben die Mullahs als erstes, unter vielem anderem, den Schleier verordnet.

Das ganze lief jedoch auch umgekehrt. Als Anfang des 20. Jahrhunderts die Türkei annektiert war, demonstrierten die Besatzer ihre Macht, indem sie den Frauen ihre Tücher von den Köpfen rissen. Das hatte immens den Volkszorn geweckt und einen heftigen Widerstand hervorgerufen.

All das andere, was ansonsten noch ins Kopftuch hineininterpretiert wird, kann sicher auch teilweise als Motivation für das Tragen des Kopftuches zutreffen.

Sich bedeckend kleiden - Kleidung als Hilfsmittel im Umgang der Geschlechter um Provokationen zu vermeiden - In diesen religiös-sittlichen Kontext gehört das Kopftuch.

Aber: Das Kopftuch ist nicht, um nach außen hin zu demonstrieren welcher Religion man angehört. Es gibt nirgendwo in den islamischen Quellen eine Aussage, dass man auf irgend eine Weise die Religionszugehörigkeit nach außen kenntlich machen soll.

Das Kopftuch ist ein Kleidungsstück und höchstens im Nebeneffekt Symbol, keinesfalls jedoch von seinem ursprünglichen Zweck her.

Es ist nicht mit dem Kreuzessymbol im Christentum zu vergleichen.

Zum anderen gehört „das sich Bedecken“ nicht zu den Grundlagen der Religion – weder zu den sechs Glaubensartikeln noch zu den so genannten 5 Säulen.

Das heißt, Religiosität lässt sich auch nicht am Kopftuch festmachen!!

Niemals kann und darf ich mir als gläubiger Mensch erlauben, wegen dem Tragen oder dem Nichttragen über den andern Urteile zu fällen.

Über die Motivationen und Gründe, etwas zu tun oder nicht zu tun, habe ich keine Einsichten. ...

Nächster Punkt:

Es ist ein Riesenunterschied, ob ich das Kopftuch im Alltagsleben trage oder ob ich mit Kopftuch unterrichten will.

In der Schule sind vielfältige Interessen berührt. Das Elternrecht, allgemeiner gesellschaftlicher Konsens, Mehrheits- Minderheitsverhältnis von Lebensanschauungen, Neutralitätspflicht usw. müssen berücksichtig werden.

Da greife ich in die Rechte anderer ein! 

Somit treten ganz andere Prioritäten in den Vordergrund.

Sich aufdrängen und aufzwängen in einer Sache, die man nicht will - Was viele Menschen am Kopftuch dieser Lehrerin geärgert hat, war diese Kompromisslosigkeit.

Wir fragen uns auch, was dieses Verhalten mit Islam zu tun hat!

Da sind auch in der Religion die Prioritäten anders.

Vor dem Kopftuch im Lehrerberuf kommt vieles andere.

Wenn die Mehrheit das Gefühl hat, eine Minderheit will ihr ihren Willen aufzwingen - Das fördert nicht gerade das friedliche Zusammenleben.

Die Vorbehalte gegenüber Islam und Muslime sind hierzulande relativ groß. Die Muslime müssen das berücksichtigen und abwägen, was wichtiger ist!  Politisch und wirtschaftlich geht es uns besser als den meisten in den islamischen Regionen. Das eventuelle Opfer, dass ich ein Nebengebot nicht einhalte, um Frieden zu bewahren, ist sicher rechtens und kein Verstoß gegen Gottes Wille. Denn Gott hat diese Gebote empfohlen, dass die Menschen in Eintracht miteinander leben.

Zum anderen: Vor kleinen Kindern brauche ich kein Kopftuch (vergl. Sure 24, 31)!

Darum sprechen wir uns in diesem Kopftuchstreit entschieden gegen das Kopftuch von Lehrerinnen aus!!

Was wir auch kritisieren ist, dass wegen einem einzigen Kopftuch über Jahre hinweg das Kopftuchthema latent am Leben erhalten wurde. Als ob es nichts wichtigeres gäbe, wenn es um Muslime und ihre Integration in diese Gesellschaft geht.

Wir haben aber etwas dagegen, den Islam auf ein Stück Stoff zu reduzieren.

Und ich als Person und ich in meiner Persönlichkeit möchte auch nicht auf dieses Stück Stoff reduziert werden.

Man setzt sich mit Äußerlichkeiten, die Nebensachen in der Religion sind, auseinander - Muslime wie andere.

Das Eigentliche wird vernachlässigt, da es schwieriger ist.

Man will Extremismus bekämpfen und vor allem von der Schule fernhalten. ...

Ist das mit einem Verbot zu erreichen?

Wir stehen einem gesetzlichen Verbot distanziert gegenüber:

1. Mit Verboten hat man extremistische, antidemokratische, verfassungsfeindliche, gesellschaftsfeindliche Einstellungen nicht geändert.

Und mit Gesetzen und Verboten lässt sich auch eine Mentalität oder eine religiöse Überzeugung nicht ändern.

Eine Überzeugung kann nur mit einer anderen Überzeugung bekämpft werden.

Wenn Extremismus, Feindbilder und Vorbehalte sich mit Religion begründen, kann man nur durch Aufklärung und den Argumenten der Religion dem die Basis entziehen.

2. Ein Verbot werden viele Muslime nicht sehr differenziert sehen, und es lässt befürchten, dass sich viele Muslime diskriminiert fühlen werden. Sie werden sich als Opfer und Außenseiter sehen. Die Gesellschaft wird als intolerant wahrgenommen. Die Folge ist mehr Spannung in der Gesellschaft und ein vermehrtes Zurückziehen von Muslimen aus der Gesellschaft. ....

3. Es lässt auch befürchten, dass der Streit und das Verbot auf andere Bereiche übertragen wird, wo es mit Kopftuch bislang keine Diskussionen gab. Und somit ist eine Ausweitung der Auseinandersetzung mit der Folge von zunehmender Polarisierung und Unruhe als wahrscheinlich anzunehmen.

4. Es gibt sicher viele andere Möglichkeiten als per Gesetz, um eine Lehrerin mit Kopftuch außen vor zu lassen.

5. Verbote haben bislang keine Lösung in solchen gesellschaftlichen Fragen gebracht.

 

Cäcilia Demir-Schmitt
RG Islam LV BaWü (e.V.)

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 „.... Denn die nicht fundamentalistische islamische Mehrheit ist ja das erste Opfer der Fanatiker.“  - Alice Schwarzer

 

 
 
 
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